- Zinzendorf
- Zịnzendorf,Nikolaus Ludwig Graf von, eigentlich N. L. Graf von Zinzendorf und Pọttendorf, Begründer der Herrnhuter Brüdergemeine, * Dresden 26. 5. 1700, ✝ Herrnhut 9. 5. 1760; aus altösterreichischem Adel, 1710-16 in A. H. Franckes Pädagogium in Halle (Saale) in pietistischem Geist erzogen; studierte 1716-19 Rechtswissenschaft in Wittenberg und war 1721-27 Hof- und Justizrat in Dresden. 1722 nahm er auf seinem Gut Berthelsdorf (Oberlausitz) mährische Exulanten (Böhmische Brüder) auf und gründete mit ihnen die Kolonie Herrnhut, aus der in der Folge mit der Brüdergemeine (1727 Annahme der Statuten) eine eigenständig geprägte geistliche Gemeinschaft erwuchs. Gegenüber Widerständen in der Landeskirche, wo man seine Bestrebungen (entgegen seinen Intentionen) als separatistisch, von der lutherischen Kirche wegstrebend ansah, suchte Zinzendorf sein Werk kirchlich abzusichern, indem er sich 1734 zum lutherischen Geistlichen ordinieren ließ. 1736 dennoch aus Kursachsen ausgewiesen, gründete er in der Wetterau (Herrnhaag, Marienborn, beide heute zu Büdingen) sowie auf seinen Reisen durch Europa neue Gemeinden und ließ sich 1737 von D. E. Jablonski zum Bischof ordinieren. Sein Versuch, in Nordamerika 1742 die deutschen evangelischen Auswanderer in Pennsylvania zu einer »Gemeinde Gottes im Geist« auf ökumenischem Lehrgrund zu einen, scheiterte. 1747 gestattete Kursachsen seine Rückkehr nach Herrnhut, 1749 wurde (nach der Annahme des Augsburger Bekenntnisses durch die Herrnhuter Brüdergemeine 1748) in einem »Versicherungsdekret« seine Gemeinschaft als Augsburgische Konfessionsverwandte im Rahmen der sächsischen Landeskirche mit Freiheit der Verkündigung und Gemeindegestaltung anerkannt. 1751-55 lebte Zinzendorf in London, wo er und die Brüdergemeine einen großen Einfluss auf den entstehenden Methodismus ausübten. - Zinzendorf verkörperte einen eigenständigen Typus innerhalb des deutschen Pietismus. Im Mittelpunkt seines theologischen Denkens stand der gekreuzigte Christus; mit der lutherischen Kreuzestheologie verband Zinzendorf eine barock übersteigerte Blut- und Wundenfrömmigkeit. Seine kirchlichen Bestrebungen begründete er theologisch mit der Vorstellung, dass die verschiedenen Kirchengemeinschaften von Gott je mit besonderen Gnadengaben ausgestattete Erscheinungsformen (griechisch tropoi) der einen Kirche seien. Damit gelang es ihm, die religiösen Individualitäten anzuerkennen und doch die Einheit der Kirche zu wahren. Nachwirkungen Zinzendorfs finden sich u. a. bei F. D. E. Schleiermacher und S. Kierkegaard sowie in den Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts. Die von ihm begründeten Losungen wie auch zahlreiche von ihm verfasste Lieder leben bis heute fort.Ausgabe: Hauptschriften, herausgegeben von E. Beyreuther u. a., 6 Bände (1962-63).A. G. Spangenberg: Leben des Herrn Nicolaus L. Grafen u. Herrn von Z. u. Pottendorf, 8 Tle. (1773-75, Nachdr. 1971, 4 Bde.);Z. u. die Herrnhuter Brüder. Quellen zur Gesch.. .., hg. v. H.-C. Hahn (1977);S. Hirzel: Der Graf u. die Brüder. Die Gesch. einer Gemeinschaft (Neuausg. 1980);E. Beyreuther: Die große Z.-Trilogie (1988);I. Modrow: Dienstgemeine des Herrn. N. L. von Z. u. die Brüdergemeine seiner Zeit (1994).
Universal-Lexikon. 2012.